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Dienstag, 2. Juni 2020

Das Buch der Bücher


Vor einer ganzen Weile ging es im Friedenskirchen-Blog schon einmal um die Bibel (in einem Beitrag von Holger Höppner am 15. April). Ich möchte mal ein bisschen etwas von meiner Ausgabe der Heiligen Schrift erzählen.


Im Haushalt meiner Eltern gab es viele Bücher, allerdings keine Bibel, zumindest habe ich sie nicht gefunden.
Die habe ich mir selbst gekauft, ich war wohl 15 Jahre alt. Das Ganze hatte etwas Heimliches, es hat sich auch irgendwie verboten angefühlt. Ja, ich wusste, dass ich das Grundrecht auf freie Religionsausübung habe. In meinem Fall hieß das: Das Recht, überhaupt eine Religion auszuüben. Begonnen hat das mit mehr oder weniger heimlichen Besuchen in der Jungen Gemeinde, die unser Dorfpfarrer geleitet hat und mit Jugendgottesdiensten in der Zittauer Weberkirche. Irgendwann war klar: ohne nachlesen zu können, worum es da geht, kann ich nicht mitreden. Ich habe mich beim Kauf in einer Zittauer Buchhandlung für einen Klassiker entschieden. Luther, ganz einfach. Dieses Buch symbolisierte auch in gewisser Weise meine Art pubertärer Auflehnung. Klingt nicht so spannend wie Zigaretten, Partys und Alkohol - hat aber meine Eltern damals aber mindestens genauso verstört.
Seither sind ein paar Jahre vergangen und in meinem Leben ist eine Menge passiert. Die Bibel ist mit mir viel rumgekommen und einiges hat Spuren in ihr hinterlassen. Die Karte eines Gemäldes in der Aula meiner Schule zum Beispiel: Paulus in Rom. Außerdem Kärtchen, Markierungen, Erinnerungen. Mitgenommen zu Rüstzeiten mit Andachten, aber auch ganz privat. Es ist meine Reisebibel, kein Buch, das in der Vitrine steht. Sie ist abgenutzt und, nach der letzten großen Neuübersetzung auch nicht mehr ganz aktuell. Aber das soll auch so sein (für ganz Aktuelles gibt es ja das E-Book). Es ist für mich ein Buch, was benutzt werden will, wofür ich mir, auch weil „Corona“ meinen Tagesablauf ergänzt hat, Zeit nehmen kann und möchte.
Am liebsten lese ich die ganzen Kapitel oder Texte, aus denen zu verschiedenen Anlässen einzelne Sprüche herausgepickt werden. Ich versuche dann herauszufinden, in welchem Kontext das Ganze steht, worum es eigentlich geht. Das ist meistens spannend, manchmal schwierig und es kommt auch vor, dass ich mit einem Text gar nichts anfangen kann. Das ist wie im Leben sonst - es ist nicht möglich, immer alles zu verstehen. Wichtig ist, es ist da. Und ich kann entscheiden, wie oft ich rein sehe. Verlorene Zeit finde ich darin jedenfalls nie.

Juliane Schild, Lektorin an der Friedenskirche - 2. Juni 2020

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