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Sonntag, 19. April 2020

Wieder mal im Stich gelassen?

Bei der Pressekonferenz der Bundesregierung am vergangenen Mittwoch sprach unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel von einem „zerbrechlichen Zwischenerfolg“. Damit meinte sie die bisher erreichten Erfolge bei der Bekämpfung der Weiterverbreitung des Corona-Virus. Und eben weil dieser Erfolg noch so zerbrechlich ist, bleiben die Kontaktverbote weiterhin bestehen, auch wenn erste Maßnahmen, deren Logik sich mir nicht immer erschließt, auf dem Rückweg zur Normalität ab morgen greifen sollen. Kirchlicherseits stellt sich nach wie vor die Frage: „Wie geht es weiter mit Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen?“ Unsere Landeskirche stellt in Aussicht, dazu in der kommenden Woche Antworten zu liefern.

Viele gläubige Menschen haben in der derzeitigen Situation das Gefühl, Gott habe sie, habe die Welt, im Stich gelassen. Er scheine ihre Not nicht zu sehen und scheine blind und taub für ihre Sorgen zu sein.

Gäbe es heute einen Gottesdienst, dann stünde genau dieses Gefühl im Mittelpunkt der Predigt: Israel war (wieder einmal) vom Nachbarvolk der Babylonier überfallen worden und vor allem die Menschen der Oberschicht waren ins Exil deportiert worden. Diese Menschen fühlten sich aussichts- und hoffnungslos – wie so häufig in der Geschichte des Volkes Israel.
In dieser Situation machte der Prophet Jesaja ihnen Mut und sagte u. a.: „Aber alle, die ihre Hoffnung auf den HERRN setzen, bekommen neue Kraft. Sie sind wie Adler, denen mächtige Schwingen wachsen. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und sind nicht erschöpft.“ (Jesaja 40,31)

Natürlich kann man die Notlage des Volkes Israel nicht vergleichen mit unserer derzeitigen Situation, aber eines zumindest haben sie gemeinsam: Manchmal mag es lange dauern, aber jede Krise geht irgendwann vorbei. Wichtig ist darum, auf das zu schauen, was uns Kraft und Hoffnung geben kann. Und genau dazu ermuntert uns Jesaja. Er macht uns klar, dass es keinen Ort und keine Zeit gibt, wo Gott nicht ist. Zwar erspart er uns nicht so manch bittere Erfahrung, aber er lässt uns nicht im Stich.

Es ist inzwischen gute 5 Wochen her, seit das Virus das öffentliche Leben nahezu lahm gelegt hat. Damals haben wir uns gefragt, wie das alles werden soll. Ich bin überrascht, wenn ich sehe, welch ungeheure Kreativität seither entwickelt worden ist, der ungewohnten Situation und den damit verbundenen Einschränkungen zu begegnen. Nein, es ist noch lange nicht alles gut, aber das war es doch eigentlich, vor allem, wenn ich auf die Welt blicke, noch nie. Es gab und es gibt aber genug Gründe, hoffnungsvoll zu bleiben und fest darauf zu vertrauen: „Aber alle, die ihre Hoffnung auf den HERRN setzen, bekommen neue Kraft. Sie sind wie Adler, denen mächtige Schwingen wachsen. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und sind nicht erschöpft.“

Ich habe ein schönes Gebet gefunden, in Anlehnung an Psalm 116, das ich Ihnen gerne weitergebe:
Gott, es ist uns lieb, dass du unsere Stimmen und unser Flehen hörst.
Du neigst uns dein Ohr zu, darum rufen wir zu dir, unser Leben lang.
Zu dir rufen in diesen Tagen die Kleinen, die Kinder, denen vieles fehlt, Schule und Kita, Möglichkeit zum Spielen draußen, ihre Großeltern.
Wir bitten dich besonders für die Kinder und Jugendlichen, die in schwierigen Verhältnissen leben müssen, die statt Unterstützung und Liebe Vernachlässigung und Gewalt erfahren.
Wir bitten dich für die Kinder und Jugendlichen in den Slums und den Lagern, für die vielen, um die sich keiner sorgt und kümmert, für ihren Jammer und ihre Not.
Zu dir rufen in diesem Tagen die Großen, die Erwachsenen, auf denen Last und Verantwortung ruht, die stark für andere sein müssen.
Wir bitten dich für die Menschen in den Behörden und Regierungen, die Entscheidungen treffen und Maßnahmen anordnen müssen; für alle, die für die Kranken da sind und sich um die Schwachen kümmern.
Sie sind nicht allein. Du behütest die Unmündigen, Gott, und hilfst denen, die schwach sind und du bist für die da, die es dir nachtun.
Zu dir rufen in diesen Tagen die Alten, die zur Einsamkeit gezwungen sind, denen Besuche und Nähe fehlen.
Wir bitten dich besonders für die, die nicht mehr verstehen können, was gerade geschieht, für die Demenzkranken und für die Sterbenden.
Errette du ihre Seelen vom Tode, ihre Augen von den Tränen, ihren Fuß vom Gleiten. Umhülle du sie mit deiner Liebe.
Gott, es ist uns lieb, dass du unsere Stimmen und unser Flehen hörst.
Du neigst uns dein Ohr zu, darum rufen wir zu dir, unser Leben lang.
Wir werden wieder wandeln im Land der Lebendigen. Lass uns darauf vertrauen. Amen.

(Holger Höppner, 19.04.20)

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