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Montag, 11. Mai 2020

Am Anfang war der Walkman ...

Gestern war der Sonntag "Kantate" - übersetzt: Singet! 
Und wir haben nicht miteinander gesungen im Gottesdienst in der Friedenskirche, wegen Corona.
Es war der Sonntag der Kirchenmusik - und wir haben uns nur auf's Hören beschränkt.
Saßen mit dem vorgeschriebenen Abstand - jeder und jede für sich.

Tun wir ja sonst auch oft - nur hören, und oft nur jeder und jede für sich.
Eigentlich fing dieses Phänomen mit dem "Walkman" an, einem tragbaren Kassettenspieler.
Vor gut 40 Jahren.

Heute "streamen" wir Musik mit "Spotify", hören oft nur jeder und jede für sich mit kabellosen "Bluetooth"-Kopfhörer", und zwar "in ear".

Ich habe vor zwei Tagen eine Joggerin sehr erschreckt - zum Glück nicht zu Tode erschreckt.
Die lief vor mir her, auf dem Weg für Fußgänger und Radfahrer am Resser Weg am Schlosspark.
Und ich näherte mich auf dem Fahrrad, und wollte sie überholen.
Aber das, was dann am Ende herauskam, wollte ich eigentlich gerade nicht: Sie erschrecken.
Also habe ich geklingelt, einmal, zweimal, dreimal - dann "Guten Morgen!" gerufen.
Keine Reaktion - wegen der Stöpsel im Ohr. Und nun?
Höfliches Husten, um sich bemerkbar zu machen?
Geht ja auch nicht in dieser Zeit.
Auf die Schulter tippen?
Hätte ich übergriffig gefunden - sie sicher auch.

Also bin ich weiter hinter ihr hergefahren, langsam, mit ein bißchen Abstand.
Und erst nach 10, 20 Sekunden hat sie mich dann bemerkt - und hat sich sehr erschreckt.
Und das lag nicht an meinem giftgelben Fahrradhelm ...

Und die Moral von der Geschichte?

Musik verbindet. Eigentlich.
Und wie erlebt: Manchmal eben nicht.

Das kann Musik nicht, Menschen verbinden, wenn's nicht sein darf, wie beim Singeverbot in der Kirche. Das kann sie nicht, wenn jeder und jede für sich ist.

Ob die Sehnsucht nach Bundesligaspielen in vollbesetzten Stadien auch damit zu tun hat, dass es eine tiefe Sehnsucht gibt nach gemeinsamen, verbindendem Singen?
Endlich mal wieder mit den anderen, vielleicht mit ganz vielen singen können:
"You'll never walk alone ..." - oder der Ausgewogenheit halber auch:
"Blau und weiß, wie lieb ich dich ..."

Zurück zum Sonntag "Kantate": "Großer Gott, wir loben dich" - darauf freue ich mich auch.
Sogar auf "O du fröhliche"  freue ich mich.

Aber wie wird Weihnachten wohl werden - in diesem Jahr?
Können wir das dann, singen?
Laut und gemeinsam und eng beieinander?

Ich wünsch es mir.
Ich wünsch es mir sehr.

Burkhard Müller - 11. Mai 2020


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