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Mittwoch, 6. Mai 2020

Fast wie ein Wunder

Ende März waren die Krankenhäuser in der Region Bergamo völlig überfüllt. Intensivpflegeplätze standen keine mehr zur Verfügung. Für den 65-jährigen Claudio hing das Leben am seidenen Faden, denn er lag bereits im Koma. Aber er hatte Glück. Er gehörte nämlich zu denen, die zu uns nach Deutschland, in diesem Fall nach Bochum ausgeflogen wurden, um hier behandelt zu werden.

Inzwischen hat er sich von seiner Covid 19-Erkrankung weitgehend wieder erholt. Er ist noch ein bisschen schwach, hofft aber darauf, vielleicht noch in dieser Woche das Krankenhaus verlassen zu dürfen.

Nach seiner schweren Erkrankung beginnt damit für ihn, so sieht er es selber, ein 2. Leben. Und das auch gleich in doppelter Hinsicht: Vorgestern hat er, zum ersten Mal nach vielen Jahren, wieder mit seiner Tochter gesprochen. Damals hatte es heftigen Streit gegeben, der dazu geführt hatte, dass seither „Funkstille“ war. Kein Gespräch, kein Brief, überhaupt kein Kontakt.

Als eine Ärztin des Krankenhauses die Familie von Claudio über dessen Zustand informieren will, erfährt sie von seiner Tochter, dass der Kontakt seit 12 Jahren abgerissen sei. Die Ärztin sorgte dann dafür, dass sich die beiden per Videochat wieder begegnen konnten. Beide waren sichtlich bewegt, hatten Tränen in den Augen. Claudio erfuhr, dass seine Tochter nicht nur inzwischen geheiratet hatte, sondern dass er auch mehrfacher Opa geworden war.

Was für eine schöne Geschichte! Eine Geschichte, und eine wahre dazu, die zeigt, dass ein Neuanfang möglich ist – wenn man denn will.

Mir fallen dazu die Erzählungen über Jesus ein, der Menschen, mit denen sonst niemand mehr etwas zu tun haben wollte, eine 2. Chance gegeben hat. Oder auch seine Gleichnisse, die deutlich machen, dass Umkehr und ein Neuanfang möglich sind. Wenn Jesus heute ein Gleichnis erzählen würde, wären es vielleicht Claudio und seine Tochter, die Jesus als Bild nehmen würde?

Eigentlich ist es ja schade, dass es manchmal eine Krise braucht, wie im Beispiel von Claudio, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Andererseits ist das ja auch gleichzeitig ein Hoffnungsschimmer, der zeigt, dass sogar in Krisenzeiten etwas Gutes entstehen kann.

(Holger Höppner, 06.05.20)

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