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Freitag, 15. Mai 2020

Spooky



Der erste Gottesdienst im Coronazeitalter in unserer Friedenskirche war vor knapp zwei Wochen, am Sonntag "Jubilate" - zu deutsch: jubelt, jubiliert.
Jubiliert hat so recht ... keiner.
Doch, da war schon echte Freude - und wir haben sie gemeinsam gespürt:
Sich wiederzusehen zu können und miteinander Gottesdienst feiern - aber irgendwie war auch noch Luft nach oben  ... bis hin zum Jubilieren ...

Jetzt am letzten Sonntag war dann "Kantate" - übersetzt: Singet.
Gesungen hat ... keiner.
Weil Singen nur ganz schwer geht mit Maske - und weil es zur Zeit sogar noch verboten ist.

Da sitzt man - mit Abstand auf Stühlen ganz schön weit auseinander.
Und und jeder unter einer Maske, dass man so gut wie gar nicht erkennen kann, wer fröhlich ist, und wer vielleicht abgrundtief traurig. Zuvor am Eingang steht das Eintragen in Listen, das sein muss, um im Ernstfall Infektionsketten nachvollziehen zu können.
Alles logisch, alles nachvollziehbar, alles muss wohl so sein.
Aber alles eben auch ein wenig - so nannte es ein Jugendlicher - "spooky".

Und manche von den älteren treuen Gemeindegliedern und Gottesdienstbesucherinnen kommen gar nicht: "Ich hab' trotz allen Sicherheitsvorkehrungen doch Angst, ich komme lieber nicht ..."

Ich sinne darüber nach, wie sich unsere gemeindliche und kirchliche Wirklichkeit geändert hat und weiter ändern wird - und während ich so nachdenke, kommt meine Frau in die Küche, wo ich ich gerade bin. Alles wie immer - nur dass ich in Gedanken versunken drei Schritte vor ihr zurückweiche, ganz automatisch.
Mindestabstand einhalten!
Das habe ich offensichtlich sehr gut verinnerlicht - offensichtlich schon zu gut:
Mindestabstand von meiner eigenen Ehefrau?!
Der Mutter unserer Kinder?!!
Der Oma unserer Enkel?!!!
Wir müssen beide lachen - und finden es "spooky".
(Nur am Rande: Als ich diese Geschichte anderen Menschen erzählt habe, kam mehr als einmal die Reaktion "Das ist uns auch schon passiert ...")

Der Sonntag  übermorgen heißt übrigens "Rogate - Betet"
Beten geht gut - auch mit Maske.
Und hat gar nichts mit Distanz zu tun, sondern mit ganz viel Nähe.
"Vater unser ..." - so beginnt das Gebet aller Gebete - und allein schon diese Anrede ist wunderbar:
Ich freu mich auf Sonntag - und darauf, über die Nähe Gottes und das Vaterunser predigen zu können.

Burkhard Müller  -  15. Mai 2020

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