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Montag, 25. Mai 2020

Auf dem Klo?

Wenn ich mit meinen Konfirmanden über das Thema „Beten“ spreche, dann frage ich zu Beginn, wo man das denn tun dürfe? „In der Kirche“, ist in der Regel die erste Antwort, die den Jugendlichen einfällt. Eher provozierend gemeint war die Antwort „Auf dem Klo“, die von den meisten anderen dann auch entrüstet abgelehnt wurde. Bei näherer Betrachtung kam man dann aber zu der Überzeugung, dass es eigentlich keinen Ort geben könne, an dem man nicht beten dürfe: Auf dem Fahrrad, vor dem Schlafen gehen, im Urlaub und natürlich auch auf dem Klo.

Auf die Frage, was denn wohl Inhalt eines Gebets sein dürfe, waren sich die Konfis auch schnell darüber einig, dass es auch hier keine Beschränkungen geben könne. Genauso einig waren sich die jungen Leute aber, dass man im Gebet Gott keinesfalls beleidigen dürfe. Und auch ein Gebet, das man überhaupt nicht ernst meine, das nebenbei geschehe oder missbräuchlich formuliert würde, lehnten die Konfis ab.

Immer wieder überrascht bin ich darüber, dass tatsächlich fast alle Konfirmanden beten, zumindest dann, wenn es ihnen schlecht geht oder wenn sie von Gott etwas erbitten wollen. Eher keine Rolle spielen Gebete, mit denen Gott für etwas gedankt wird. Darum gibt es auch in so gut wie keiner Familie ein Tischgebet vor den Mahlzeiten.

Ich bin mir sehr sicher, dass die Einstellungen und Erfahrungen der Jugendlichen sich mit denen der meisten Erwachsenen decken. Übrigens auch die Feststellung, dass man eher im Verborgenen bete und nicht in der Öffentlichkeit (Gottesdienste oder ähnliche Gelegenheiten einmal ausgenommen) verbindet die Generationen.

Tatsächlich war ich überrascht und fast irritiert, als ich vor einigen Jahren die Gastfamilie unseres Sohnes in den USA besucht habe. Da gehörte das Gebet vor dem Essen immer dazu. Nicht nur in den eigenen vier Wänden, auch im öffentlichen Restaurant, sogar bei McDonalds. Niemanden von den anderen Gästen hat das gestört. Keiner hat auch nur darüber gelächelt oder war peinlich berührt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich das mal hier in Disteln bei Opatija tun würde, sähe die Reaktion der anderen Gäste wohl anders aus.

Letztlich ist es aber auch vollkommen egal, ob wir in der Öffentlichkeit oder lieber für uns im stillen Kämmerlein beten. Wichtig ist, dass wir es überhaupt tun. Das wir immer wieder unseren Kummer und unser Leid, aber genauso unsere Freude und unseren Dank vor Gott bringen, dass wir auch auf diese Weise den Kontakt zu unserem Gott suchen. Unser ganzes Leben dürfen wir vor Gott bringen. Mit eigenen Worten oder, wenn einem die Worte fehlen, mit Worten der Bibel, wie z. B. mit einem Psalm oder mit dem wichtigsten Gebet von uns Christen, dem Vater Unser.

(Holger Höppner, 25.05.20)

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