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Donnerstag, 14. Mai 2020

Wenn Menschen zu viel Langeweile haben - der erste Blog-Beitrag von Nicole Fischer-Kentschke


Wenn Menschen zu viel Langeweile haben ...

Wer kennt es nicht: Ein Kollege meldet sich auf der Arbeit krank. Sofort fangen die wildesten Spekulationen an, warum derjenige wohl der Arbeit fern bleibt. Und die Gerüchte wuchern,
bis der Betroffene schon fast im Grab liegt ...
Ja, anstatt den betroffenen Kollegen einfach selbst direkt anzuschreiben, was in der heutigen digitalen Welt ja überhaupt kein Problem mehr darstellt, wird lieber weiter wild spekuliert und letztendlich werden Gerüchte in die Welt gesetzt.
Wenn man als Betroffener dann wieder genesen zum Dienst erscheint, wird vielleicht noch einmal verhalten nachgefragt, wie es einem geht. Die Gerüchteküche der vergangenen Tage bekommt man selbst nur sehr selten selber mit.
Dabei ahnt man doch, dass über den Grund der eigenen Abwesenheit oft wild spekuliert wird - und je länger man sich krank meldet, umso abenteuerlicher werden die Vermutungen.
Aber was ist eigentlich, wenn all die Spekulationen und Gerüchte zufällig der Wahrheit entsprechen ?
Und vielleicht hat der betroffene Kollege ja gute und schwerwiegende Gründe dafür, nicht zu sagen, woran er erkrankt ist?
Denken wir eigentlich darüber nach, was so ein Gerücht bei dem Erkrankten auslöst?
Und dass das Gerücht eventuell dazu beiträgt, die Heilung in die Länge zu ziehen, weil der betroffene Kollege nun nicht nur seine Erkrankung, sondern auch das Gerede über seine Person verarbeiten muss?



Ganz bitter wird es, wenn der genesene Kollege wieder zum Dienst erscheint und von niemandem auf das Gerücht angesprochen wird. Einfach nur Schweigen - so wie sich nicht ein einziger Kollege in der Krankheitsphase bei ihm gemeldet hat und ganz ohne Hintergedanken einfach einmal eine gute Besserung gewünscht hat.
Ist unserer Gesellschaft, nicht nur durch Corona, so langweilig, dass sie sich an dem Leben ihrer Mitmenschen ergötzen muss?
Ich dachte, dafür gäbe es die Möchtegern-Promis, die alles aus ihrem privaten Leben posten, damit genau die Menschen, die gerne über andere tratschen, etwas zu erzählen haben.

Eins der zehn Gebote heißt: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“


Aber wenn das Gerücht am Ende zur Wahrheit wird, dann hat man ja nichts Unrechtes gemacht, oder?!

Das Einzige, was das Entstehen derartiger Gerüchte wohl zum Erliegen bringen könnte ist dem Kollegen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, auf dessen Reaktion zu warten und am Ende einfach nur zu denken, dass auch er selbst einmal in eine solche Situation kommen könnte und dann vermutlich froh wäre, wenn nicht über seinen Gesundheitszustand wild spekuliert würde.

Nicole Fischer-Kentschke - 14. Mai 2020

Nicole Fischer-Kentschke ist Lektorin an der Friedenskirche - und im Hauptberuf Polizistin.


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